Forschungsarbeit: Zur Körpersprache in Theodor Storms Novelle „Der Schimmelreiter“

Zur Körpersprache in Theodor Storms Novelle „Der Schimmelreiter“

„Er reichte ihr die Hand und drückte sie, als ob es zwischen ihnen keines weiteren Wortes bedürfe…“

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Studien zur Germanistik, Band 30

Hamburg , 114 Seiten

ISBN 978-3-8300-4158-0 (Print) |ISBN 978-3-339-04158-6 (eBook)

Zum Inhalt

Die Verfasserin hat sich auf die Bedeutung und Gestaltungskraft der Körpersprache in Theodor Storms Novelle „Der Schimmelreiter“ konzentriert. Die Thematik sollte in erster Linie als Interpretationshilfe verstanden werden, die dem Verständnis von literarischen Texten eine weitere Dimension geben kann. Methodisch wurden dafür die nonverbalen Ausdrucksmittel in der Novelle gesammelt, gruppiert und versuchsweise gedeutet. Folgende Unterscheidungskriterien wurden verwendet: Mimik, Augensprache, Gesten, Körperhaltung, Berührung und Abstand, sowie Lautgebärden.

Es zeigt sich, dass bei Storm verbale bzw. nonverbale Sprache als ein und dasselbe System zu betrachten ist. Verbale Sprache, Körpersprache und Gefühl bedingen sich im Text gegenseitig. Gefragt wurde in der Analyse ferner, auf welche Weise die literarischen Figuren ihre Gefühle und Stimmungen in ihrem Körperverhalten ausdrücken und welche nonverbalen Verhaltensformen sie dafür verwenden. Aufgrund von Körperbewegungen, wie sie bei Storm sprachlich geschildert werden, lassen sich verschiedene Emotionen durch Körperhaltungen und Gesten entschleiern, wie Glück, Freude, Verliebtheit, Trauer, Verzweiflung, Furcht, Ärger, Hass, Verachtung, Schuld, Scham, Stolz u.s.w.

Zahlreiche Gebärden dienen auch der Kommunikation zwischen den fiktiven Figuren. Sie können eine verbale Mitteilung betonen und strukturieren, oder sie treten sprachersetzend auf. Der Autor legt sehr viel Gewicht auf die genaue und variationsreiche Charakterisierung der Bewegungsvorgänge und auf die Qualität der Ausdrucksweisen. So enthält z.B. das Lachen in „Der Schimmelreiter“ mehrere Varianten, die verschiedene Deutungen zulassen. Es kann bei Storm je nachdem echt, unecht, bitter, glücklich, traurig, zynisch, unsicher, boshaft oder hämisch sein. Auf ähnliche Weise können Schweigen und Pausen verschiedene Funktionen im Text haben: Spannung erzeugen, Kommunikationslosigkeit oder zurückgehaltene Emotionen zwischen den Figuren darstellen.

Dabei ist Körpersprache z.B. davon abhängig, ob jemand introvertiert oder extrovertiert ist, weshalb sie gelegentlich bei den Figuren als „Schutzgesten“ zum Ausdruck kommt und im Text für Inkongruenz sorgt. Subtile Bewegungen und Berührungen, sowie der räumliche Abstand zwischen den Figuren, geben im Text Hinweise auf Nähe, Intimität oder Distanz. Dem Leser wird dadurch Aufschluss über das Innenleben der Figuren gegeben, sei es durch Affektgebärden über ihre momentane Gefühlslage, ihre Charaktereigenschaften oder ihr augenblickliches Denken. Ein Signal allein hat meistens keine Aussagekraft. Manchmal kann jedoch der einzige Hinweis auf (In)Kongruenz eine hochgezogene Augenbraue sein, oder ein Blick, der vom Gesprächspartner vermieden wird.

Einzelne Gesten wie Drohgebärden, Beleidigungsgesten oder Grußformeln sind häufig als Symbole gelernt und kulturell abhängig. Die Darstellung der Körperbewegungen im „Schimmelreiter“ enthält insgesamt komplexe Bedeutungsdimensionen, die im Kontext des 19. Jahrhunderts zu verorten sind. Der Begriff Körpersprache umfasst also weit mehr, als die Interpretation spezifischer Signale eines kurzen Augenblickes.

Der Körper ist mit anderen Worten in Theodor Storms Novelle sehr zentral, als bewege er sich auf einer Theaterbühne. Somit drängt sich durch körpersprachliche „Regieanweisungen“ der Vergleich des „Schimmelreiters“ mit dem Drama auf, und nicht umsonst wird der Leser an das moderne visuelle Medium des Films erinnert. Die Untersuchung der nonverbalen Körpersprache in „Der Schimmelreiter“ hat diese theatralische Dimension Stormscher Gebärdendarstellung nachweisen können, denn gerade die Schilderung körpersprachlicher Äußerungen fordert zu einer Umsetzung auf der Bühne fast heraus. Der starke Einsatz von Gebärdenschilderungen ist ein wesentliches Mittel Storms, größtmögliche Anschaulichkeit und zugleich Dramatisierung des Erzählten zu erzielen.

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