Doktorarbeit: Banaler und dämonischer Sex in der Literatur um 1900 und um 2000

Banaler und dämonischer Sex in der Literatur um 1900 und um 2000

„Voneinander Besitz ergreifen oder einfach kopulieren: … Zwischen der Anatomie und dem Imaginären“

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Schriften zur Kulturwissenschaft, Band 68

Hamburg , 562 Seiten

ISBN 978-3-8300-3114-7 (Print) |ISBN 978-3-339-03114-3 (eBook)

Rezension

[...] Die Arbeit mit kulturwissenschaftlichem Ansatz zeichnet sich dadurch aus, daß sie theoretisch fundiert ist, die Verfasserin die wichtigsten Begriffe, mit denen sie operiert, ausführlich definiert, ein hohes Reflexionsniveau einhält und auf dem neuesten Stand der Forschung ist. Ein ausführliches Literaturverzeichnis, gegliedert in Primär- und Sekundärliteratur beschließt den Band. [...]

Informationsmittel für Bibliotheken, IFB 08-1 154


Zum Inhalt

Die Autorin befasst sich mit der Diskursivierung des sexuellen Aktes in der Literatur um 1900 und um 2000. Den Schwerpunkt der Untersuchungen bildet die kritische Auseinandersetzung mit dem „banalen Sex?, der in Teilen der Gegenwartsliteratur um 2000 als ein von jeglicher emotionaler Bindung losgelöster Akt dargestellt wird. Die Vorstellung von banalisierter Sexualität hängt mit dem von der Sexualwissenschaft etablierten Begriff der „neosexuellen Revolution“ zusammen, der die Überflutungen mit sexuellen Reizen in der Gegenwartskultur sowie deren Übertreibung und Kommerzialisierung benennt. Der sexuelle Akt erstarrt zu einer Sache, die ihren Reiz nur noch aus zusätzlichen Thrills ziehen kann. Natürliche Sexualität wird durch den „neosexuellen Leistungsdruck“ auf die sexuellen Subjekte wirksamer verhindert als es Verbote je vermochten.

Um augenscheinlich werden zu lassen, wie sich Sex innerhalb der Literatur als Gegenstand konstituiert wird der gegenwärtigen Erscheinungsweise von Sex um 2000 eine um 1900 virulente Vorstellung von Sex gegenübergestellt. Das damalige Bild von Sex ist zwar keineswegs trist, jedoch wird innerhalb der sexualwissenschaftlichen Diskurse der Epoche des Fin de si?cle Sex und Leidenschaftlichkeit als etwas Dämonisches, Verheerendes gezeichnet, vor dem es sich zu schützen gilt. Beide Vorstellungen von Sex, sowohl die banalisierte als auch die dämonisierte, greifen das Ideal der romantischen Liebe an, das bekanntlich von einer harmonischen, Glück verheißenden Synthese zwischen physischer Leidenschaft und psychischer Geneigtheit ausgeht. Sowohl voneinander Besitz ergreifen, also den körperlichen Aspekt zu Lasten einer seelischen Vereinigung zu betonen als auch einfach kopulieren, d.h. etwas wie tiefere Emotionen gänzlich zu negieren, sind Entwürfe von Sexualität, die mit dem wirkungsmächtigen Ideal der romantischen Liebe nicht vereinbar sind. Die Verfasserin macht jedoch unter dekonstruktivistischem Blickwinkel deutlich, dass hinter der Verleugnung der romantischen Liebe durch die Dämonisierung und Banalisierung von Sex nur eine Scheinnegation steckt. Sie geht in dieser Studie nicht so weit zu behaupten, dass banaler oder dämonischer Sex in keinem gesellschaftlichen Zusammenhang denkbar oder thematisierbar wäre. Doch die Analysen zeigen, dass Literatur sexuelle Akte nicht auf der Ebene reiner Körperlichkeit beleuchten kann. Dann nämlich, wenn die traditionellen Signifikate – zu denen feststehende Genderkonzepte auch gehören - bei der Thematisierung der körperlichen Liebe auf das Strengste vermieden werden, wird das ‘Sexuelle‘ selbst destruiert. Mit Foucault muss ‘Sex‘ als ein Diskurs beschrieben werden, der keineswegs eine >natürliche< Gegebenheit darstellt. Den tradierten Vorstellungen des sexuelles Aktes, die mit der romantischen Liebe im Zusammenhang stehen und die immer wie eine Folie aufscheinen, lässt sich im Medium der Literatur nicht entkommen, dann nämlich verlöre der Begriff der Sexualität/des Sexes an Sinn und würde ausgelöscht werden. ‘Sex‘ im Medium der Literatur schöpft seine Kraft aus dem Anschein, eine auf der Ebene der Körper stattfindende Handlung zu vermitteln. Die Darstellung von ‘Sex‘ ist allerdings immer an etwas gebunden, das streng analytisch betrachtet gar nicht zum Begriff des „rein körperlichen“ Sexes gehört.

Neben einer systematischen Auseinandersetzung mit dem in den 1990 Jahren auftretenden Phänomen „Popliteratur“ liefert dieses Buch Beiträge zu kulturwissenschaftlichen Debatten um Gender und Sexualtheorie sowie prägenden kulturphilosophischen Phänomenen der Gegenwart.

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