Sverre KlempZeitliche Variabilität des Habitats und Territorialität
Vertikalwanderungen während der Brutzeit bei der Gebirgsstelze, Motacilla cinerea (Tunstall 1771), in den schweizerischen Voralpen
Schriftenreihe naturwissenschaftliche Forschungsergebnisse, Band 67
Hamburg 2002, 146 Seiten
ISBN 978-3-8300-0600-8 (Print)
Zum Inhalt
Obwohl Vögel während der Zugzeiten sehr mobil sind und kontinentübergreifende Wanderungen unternehmen, sind die meisten Arten zur Brutzeit ausgesprochen standorttreu. Langjährige Vertrautheit mit einem Revier kann z.B. bei längeren Schlechtwetterperioden überlebenswichtig sein, da die wenigen Ressourcen effizienter genutzt werden können. In sehr wechselhaften Lebensräumen steht einer langfristigen Ortstreue jedoch entgegen, daß die Schwankungen für eine erfolgreiche Reproduktion zu groß sein können. Dann sollten Umsiedlungen auch während der Brutzeit häufiger vorkommen.
Die Arbeit von Sverre Klemp untersucht solche Umsiedlungsstrategien bei einem kleinen Gebirgsvogel, der Gebirgsstelze. Gebirge weisen insgesamt sehr wechselhafte Umweltbedingungen auf, ähnliche Habitatverhältnisse sind aber mit zunehmender Höhe später im Jahr zu erwarten. Die Ergebnisse einer Feldstudie in der Schweiz zeigen, daß ein bedeutender Teil der Gebirgsstelzen-Populationen Vertikalwanderungen innerhalb einer Brutzeit unternimmt, nämlich bis zu zwei Drittel der Population. Und das auch in Höhenstufen, in denen die Brutzeit so lang ist, daß mehrere Brutversuche hintereinander möglich wären. Neben nomadisierenden Individuen, die nach jedem Brutversuch umsiedeln, gibt es aber auch ausgesprochen ortstreue Individuen, die singvogeltypisch lebenslang an ihren Revieren festhalten und jedes Jahr dorthin zurückkehren. Die Entscheidung Ortstreue oder Umsiedlung richtet sich dabei nach den Qualitätsschwankungen der einzelnen Reviere. Stabile Reviere liegen in Bereichen, die lange ein relativ konstantes Nahrungsangebot (Insektenimagines, insbesondere Steinfliegen) aufweisen. Gebirgsstelzen können dabei die weitere Entwicklung offenbar anhand der Habitatstruktur (Strömung, Uferbewuchs, Zuflüsse) abschätzen.