Edwin StößingerDorothee Sölle – eine intellektuelle Biographie
Studien zur Kirchengeschichte, Band 35
Hamburg 2022, 598 Seiten
ISBN 978-3-339-12756-3 (Print)
ISBN 978-3-339-12757-0 (eBook)
Rezensionen
[…] Zurecht betont Verf. die Differenz zu bloßer Innerlichkeit, denn wenn »Menschen Liebe und Gerechtigkeit realisierten, dann brächten sie Gott real zur Welt« (82), eine Umsetzung solidarischer Gemeinschaft (94108). Den Marxismus habe Sölle als Analyseinstrument für geschichtlich-entstandene Zwangszusammenhänge verstanden (111f), doch läge der Mehrwert des christlichen Glaubens für sie darin, dass er an der Transzendenz festhalte, der Mensch »mehr als nur das Mögliche wünschen« (162) könne. […]
Ganz neu erschienen ist die Dissertation von Edwin Stößinger, - ein beeindruckendes Werk! […] Stößinger hat sehr gründlich das Leben von Dorothee Sölle in den Blick genommen. Er hat beispielsweise deren Kindheit und Jugend als nicht nur als biographische Angaben, sondern mit der Frage nach den erkennbaren und im Werk wiederfindbaren Prägungen in der Theologie Dorothee Sölles thematisiert. Stößinger zeigt Dorothee Sölle als "eine beeindruckende Persönlichkeit" und scheut sich nicht, auch Kritikpunkte aufzuzeigen. […]
Dieses Buch hat durch die Motivation seines Autors, es zu schreiben, eine sehr aktuelle Bedeutung. Er hatte ein Berufsleben als Pfarrer hindurch in verschiedenen Funktionen viel Inspiration durch Dorothee Sölle für seine vielfältige Arbeit erfahren. Nun erlebt er ihre Visionen als historisch gescheitert. Um das zu verstehen, stellt er sich die Frage, ob und wie dies mit ihrer intellektuellen Biographie und dem Profil ihrer Anschauungen und Einstellungen zu tun haben könnte. […]Die kritische Frage, die Stößinger das ganze Buch hindurch stellt: Hat Sölle nicht die harten politisch-ökonomisch-systemischen Strukturfragen unterschätzt. Kann man vor allem Gerechtigkeit, Frieden und Schöpfungsbewahrung erreichen, ohne die Eigentumsfrage zu stellen - genauer die Frage nach dem Kapital als Eigentümer der Produktionsmittel. Denn damit wird die Kapitalakkumulation als Motor für den Wachstumszwang der Wirtschaft und die Mentalität des „Immer mehr“ oberstes Gesetz der Gesellschaft. Sölle arbeitet zwar mit einem breiten Spektrum von sozialen Bewegungen zusammen, kaum aber mit den Organisationen der Arbeiterbewegung - so schwach sie im Neoliberalismus auch geworden sein mögen.
[…] Mit seiner von dem Frankfurter Kirchenhistoriker Markus Wriedt betreuten Dissertation liefert Edwin Stößinger nun den ersten umfassenden Beitrag über Sölles intellektuelle Biographie. Es ist eine immense Fleißarbeit […], die er der Theologin widmet, deren Werk ihn seit Beginn seiner Berufspraxis als Pfarrer beschäftigt hat. […]
Zum Inhalt deutschenglish
Die Nachfrage nach Büchern der befreiungstheologischen Autorin Dorothee Sölle (1929–2003) war zu ihren Lebzeiten sehr hoch. Auch auf andere Weisen hinterließ die protestantische Linksintellektuelle bleibende Eindrücke und Spuren auf Kirchentagen, in Massenmedien, in der Ökumene und in Neuen Sozialen Bewegungen. Sie arbeitete als Professorin jeweils halbjährlich am Union Theological Seminary in New York und wirkte auch an anderen Universitäten. Überall engagierte sie sich bis zuletzt im Agitieren für einen „Dritten Weg“. Das ist verwunderlich. Denn seit dem Kollaps der sozialistischen Ostblockländer gilt ein „Dritter Weg“ mehrheitlich als Fehlversuch in Theorie und Praxis.
In dieser intellektuellen Biographie wird daher u.a. folgenden Fragen nachgegangen: Aus welchem intellektuellen Hintergrund und Umfeld stammte Sölles Vision eines „Dritten Weges“? Wie entwickelte sich Sölles Kernidee aus ihren weltanschaulichen Einstellungen? Was sind die Kernbestandteile ihrer theologischen, philosophischen, moralischen, humanistischen, politischen und ästhetischen Überzeugungen? Mit welchen Mitteln verbreitete sie ihre Hoffnungen?
In dieser interdisziplinär angelegten intellektuellen Biographie werden auch die großen Fragen verschiedener Epochen behandelt. Das Buch liefert somit einen Beitrag zur kirchlichen Zeitgeschichte. Auch auf komparatistischem Weg wird nach Antworten gesucht. Was unterscheidet die post-marxistische Position Sölles vom früheren Marxismus?
Alle wesentlichen Antworten werden mit der Populismustheorie von Chantal Mouffe und Ernesto Laclau gebündelt. Damit wird das landläufige Bild von Sölle als einer Mystikerin oder gar als einer „Heiligen“ relativiert. Insgesamt lohnt sich zur Pflege eines kulturellen Gedächtnisses die Frage nach dem Erbe Sölles. Dies gilt besonders auch für ihre kirchen- und religionskritischen Ansichten.
Etliche Träume und Hoffnungen Sölles scheiterten. Doch wo lagen die Gründe? Welche ihrer Visionen sind noch nicht abgegolten? Hat ihr „Dritter Weg“ eine Zukunft?
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Schlagworte
BefreiungstheologieChantal MouffeDorothee SölleDritter WegErnesto LaclauEvangelische TheologieFeministische TheologieGeorg LukácsHans Carl NipperdeyHans Heinz HolzKirchengeschichteKirchliche ZeitgeschichtePanentheismusPaul TillichPopulismusPost-MarxismusIhr Werk im Verlag Dr. Kovač
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